Kiez Initiativen / Neuköllner*innen

"Schön wie wir" stellt vor: Hanna Legleitner von RESTLOS GLÜCKLICH

In der Rubrik "Schön wie wir stellt vor" machen wir euch mit aktiven Neuköllner*innen bekannt. Sie befreien unsere Straßen von Müll, stehen uns mit Rat und Tat zur Seite, aktivieren Mitmenschen und haben kreative Ideen, um unseren Kiez noch schöner zu machen. Diese Neuköllner*innen solltet ihr auf jeden Fall kennen! Heute: Interview mit Hanna Legleitner, der Geschäftsleitung des Vereins RESTLOS GLÜCKLICH, der es sich zum Ziel gesetzt hat die Wertschätzung von Lebensmitteln zu verbreiten.

Liebe Frau Legleitner, Sie retten nicht nur Lebensmittel, sondern nutzen diese, um Bildungsarbeit zu leisten. Das heißt, Sie führen die Lebensmittel direkt wieder in den Verwertungskreislauf ein. Macht Sie das RESTLOS GLÜCKLICH?

Ja, RESTLOS GLÜCKLICH zu sein ist harte Arbeit, aber alle Mühe wert. Wir retten mindestens zwei Mal die Woche und bewahren damit große Mengen Lebensmittel vor der Abfalltonne. Wir sortieren die aussortierte Ware in den Supermärkten nochmal durch und nehmen alles mit, was wir in unseren Workshops verwerten können. Krumme Möhren, gerissene Mehlpackungen, abgelaufene Milch - alles wird eingepackt. Dabei helfen uns unsere Ehrenamtlichen, die unsere Mission teilen und sich für mehr Wertschätzung von Lebensmitteln engagieren. Alles was wir retten, verwerten wir auch. Beim School Lunch, bei Mitmachaktionen auf Veranstaltungen oder bei Workshops. Wir freuen uns, dass wir Andere fürs Lebensmittel retten begeistern können und sie durch unsere Bildungseinheiten erfahren, dass sich restlos zu ernähren, lecker ist und glücklich macht.

 

Sie richten Ihre Angebote an ein ziemlich breites Publikum. Erreichen Sie auch alle mit ihrer Botschaft oder interessiert sich nur ein kleiner Kreis dafür?

Wir erreichen wirklich die ganze Bandbreite der Gesellschaft. Alle konsumieren Lebensmittel, alle erzeugen Reste und Müll. Und für alle haben wir Lösungsvorschläge und ganz einfache Tipps, die sie gut umsetzen können. Ein gutes Beispiel dafür sind Familien. Der Alltag mit Kindern ist oft hektisch und es bleibt nicht genug Zeit, sich auch noch neben allen Familien-Aufgaben darum zu bemühen, dass der Apfel von vor zwei Wochen verwertet wird, damit er nicht weggeschmissen werden muss. Oder dass die Rosinen vielleicht doch lieber nicht in vielen kleinen Einzelverpackungen gekauft werden, sondern als größeres Paket und dann für den jeweiligen Anlass in eine Dose oder ein Glas gefüllt werden sollten. Alles absolut verständlich. Wir haben mit unseren Tipps allerdings das komplette Gegenteil von zusätzlicher Arbeit geschaffen, nämlich Zeit. Zeit für die Familie und Entspannung. Man muss nicht extra einkaufen gehen, weil eine Zucchini fehlt. Tut es nicht auch ein anderes Gemüse, das noch im Gemüsefach liegt? Kreatives Zusammenstellen der vorhandenen Lebensmittel macht Spaß, ist lecker und entspannt den Alltag. “Papa, kannst du mir die Rosinen aufmachen?” - Klappe die hundertste. Ist doch reinster Stress, nach zehn Rosinen wieder eine friemelige Verpackung zu öffnen, mit der alten zum Müll zu laufen und die nächste aus dem Sand fischen zu müssen. Ein Schraubglas mit Rosinen für den Spielplatzbesuch abgefüllt erspart Familien viel Unruhe. Einmal aufmachen reicht und die Kinder sehen, wie viele sie noch haben. Keine Diskussion also über noch mehr. Es gibt viele Leute, die unsere Form der Lebensmittelverwertung erst mal sehr kritisch betrachten und sagen, dass diese nicht für den Alltag tauglich sei, aber bis jetzt konnten wir alle vom Gegenteil überzeugen.

 

Wie gewinnen Sie denn das Interesse Ihrer Teilnehmer*innen für das Thema Lebensmittelverschwendung? Verändern die Workshops nachhaltig etwas an dem Umgang mit Lebensmitteln?

Egal mit welcher Altersgruppe wir arbeiten, jeder hat irgendeine Assoziation und Erfahrung mit Lebensmittelverschwendung. Sobald wir das Thema in unseren Workshops einleiten, fangen die Teilnehmer*innen an, sich an dem Gespräch zu beteiligen. So wird unser Angebot immer sehr interaktiv, was wirklich schön ist. Je aktiver die Teilnehmer*innen mitarbeiten, umso mehr bleibt hängen. Was zu Hause umgesetzt wird, können wir nicht nachvollziehen, aber wir bekommen oft die Rückmeldung, dass unser Angebot so gestaltet sei, dass es einfach ist und Spaß macht, die Tipps zu Hause umzusetzen. Der Schwerpunkt unserer Arbeit liegt beim Machen und das ist der Punkt, an dem wir unsere Teilnehmer*innen von dem Wert der aussortierten Lebensmittel überzeugen und sie für einen nachhaltigeren Umgang gewinnen können. Das Schnippeln von Gemüse und Obst und das Kochen leckerer Menüs ist für die Runden nicht nur unterhaltsam. Die Teilnehmer*innen setzen sich in diesem Moment ganz konkret mit den geretteten Lebensmitteln auseinander und erleben den Wert dieser. So werden in den meisten Fällen, Hemmungen und Abneigung gegenüber aussortierter Ware abgebaut.

 

Das klingt interessant. Sie zeigen also nicht nur ganz praktisch, wie man Lebensmittel nachhaltig verwertet?

Genau, wir wollen neben der Aufklärungsarbeit zum Thema Lebensmittelverschwendung und den Tipps und Tricks zur Verwertung von Lebensmitteln, dass unsere Teilnehmer*innen positive Erfahrungen mit geretteten Lebensmitteln in den Workshops sammeln und so ein wertschätzendes Verhältnis zu ihren Nahrungsmitteln entwickeln. Bei uns erfahren sie beispielsweise, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht wirklich etwas über den wahren Zustand der Ware aussagt und dass ein verschlossener Joghurt auch nach zwei Wochen über dem Datum noch in einwandfreiem Zustand ist und somit ohne Vorbehalt gegessen werden kann. Auch für die schrumpelige Paprika oder die schon deutlich reifere Banane gibt es wunderbare Verwertungsmöglichkeiten. Unsere Teilnehmer*innen lieben die Paprika aus dem Ofen und die Banane als leckeren Zuckerersatz im Kuchen. Große Begeisterung erzeugt auch die Menge an Abfällen, die nach den Workshops übrig bleiben - nämlich fast keine. Natürlich gibt es Verpackungen von Milch oder Joghurtgläser, die wir entsorgen, aber alleine vom Obst und Gemüse bleiben nur sehr geringe Reste übrig. Was für die Teilnehmer*innen ein richtiges Erlebnis ist, ist eigentlich nur die Folge von maximaler Verwertung der Lebensmittel. Wir essen ziemlich jeden Bestandteil einer Frucht, deswegen bleibt am Ende einfach kaum etwas zurück. Wer Lebensmittel richtig verwertet, produziert also deutlich weniger Müll.

 

Nun engagiert sich der Verein ganz konkret in Neukölln. Was ist der besondere Bezug zu diesem Teil Berlins?

Eigentlich ist Neukölln der Kiez, in dem unsere Geschichte gestartet hat. Unsere ersten Jahre haben wir hier gerettete Lebensmittel gekocht und darüber für mehr Wertschätzung von Lebensmitteln und bewussteren Konsum geworben. In den nächsten Monaten sind wir wieder öfter hier und zwar in verschiedenen Einrichtungen im Ganghoferkiez. Wir haben als ein Projekt des Quartiersmanagement Ganghoferstraße neun Themen zu klimafreundlicher und gesunder Ernährung vorbereitet und werden dazu Tischgespräche und Kochworkshops anbieten. Damit alle Interessierten - unabhängig vom Einkommen/Kontostand - teilnehmen können, ist die Teilnahme an der Workshopreihe kostenfrei.

 

Wir freuen uns über Ihr Engagement in Neukölln. Darüber hinaus sind wir begeistert, wie viele Initiativen sich mittlerweile für das globale Problem der Lebensmittelverschwendung einsetzen.

Es braucht viel Engagement, denn das Problem ist wirklich groß. Mit unseren Möglichkeiten und unserer Arbeit tragen wir und unsere Mitstreiter nachhaltig dazu bei, dass die Ressource Lebensmittel nicht verschwendet wird und folgenschwere Nebeneffekte der Lebensmittelbeschaffung, wie dem hohen CO2-Ausstoß beim Transport, spürbar reduziert werden. Weil es aber damit nicht getan ist, freuen wir uns, dass sich immer mehr Menschen für unsere Arbeit interessieren und immer nachhaltigeren Umgang mit Lebensmitteln in ihrem Alltag pflegen.

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