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„Schön wie wir“ stellt vor: Jule Hanske von der Lieblingsbaum-Initiative

Baumscheiben zu pflegen, wertet nicht nur unsere Straßen auf, sondern setzt gleichzeitig ein Statement gegen Vermüllung und schafft einen Lebensraum für Bienen und Insekten. Dazu zählt auch, die Bäume zu gießen, denn diese brauchen das wirklich ganz dringend. Mehr dazu kann uns Jule Hanske von der Lieblingsbaum-Initiative erzählen.

Hallo, liebe Frau Hanske. Was verbirgt sich hinter der Lieblingsbaum-Initiative?

In der Lieblingsbaum-Initiative haben sich, angestoßen von Mehrwertvoll e.V., verschiedene Organisationen und Unternehmen zusammengetan, um gemeinsam das ökologische und soziale Klima in unseren Städten zu verbessern. Die große verbindende Aufgabe ist die Bewässerung der Stadtbäume, denn die Sommer werden immer heißer und immer mehr Stadtbäume sterben.
Ohne ihre Bäume werden Städte zu Hitzeinseln und weniger lebenswert. Gleichzeitig müssen wir auch bei uns in Deutschland anfangen, über die Ressource Wasser zu sprechen.
Die Initiative versucht Öffentlichkeit für diese dringenden und recht komplexen Themen zu schaffen, Netzwerke zu aktivieren, Fragen zu stellen, Antworten auf einer digitalen Plattform, einem Wissensspeicher, zu sammeln und gemeinsam Lösungen zu finden.
Wir beginnen in Berlin und motivieren andere Städte, diesen Wissensspeicher ebenfalls zu nutzen und mitzumachen, nachzumachen und anzuknüpfen.
Zusätzlich werden Praxismodule entstehen, die Umweltbildung und Spaß verknüpfen, die schulische Inhalte zeitgemäß ergänzen und die diese Themen über die Kinder in die Familien tragen. Durch Corona wurde dieser praktische Teil leider etwas ausgebremst, was wir aber so schnell wie möglich nachholen werden.

Sind nicht die Straßen- und Grünflächenämter für das Gießen der Stadtbäume zuständig?

In den letzten Jahren haben die Medien verstärkt darüber berichtet, dass die Städte nicht mit der Bewässerung der Stadtbäume hinterherkommen, weil der Bedarf immer mehr steigt.
Wir haben auf unserem Wissensspeicher dazu möglichst viele Presseartikel bundesweit und speziell aus Berlin gesammelt.
Bürger*innen wurden in den heißen Monaten immer wieder dazu aufgerufen, ihre Bäume zu gießen, aber nur wenige tun das auch wirklich regelmäßig. Es ist keine leichte Aufgabe, die großen Wassermengen, die ein Baum in den heißen Monaten braucht, dort auch hinzubringen. Wenn man  dafür Teams bildet und Nachbar*innen zur gemeinsamen Gießaktion aufruft, dann kann das richtig Spaß machen und verbessert nebenbei auch das soziale Klima in unseren Hauseingängen. Menschen lernen sich wieder kennen und haben eine gemeinsame Aufgabe, die sie verbindet.
Aktuell wurden die Bezirke mit mehr Geldern für die Baumpflege und Bewässerung ausgestattet. Das ist ein guter Schritt. Es gibt jedoch Stimmen, die sagen, dass die Situation dennoch schwierig bleibt, weil zwar das Geld da ist, nicht aber die personelle Infrastruktur, um es auszugeben.
Vielleicht brauchen wir für Herausforderungen des 21. Jahrhunderts eine stärkere Verknüpfung der Verwaltungen mit der Stadtgesellschaft.

Warum ist es so wichtig, dass wir für die Stadtbäume aktiv werden, wer kann da mitmachen und darf man einfach draufloslegen und Bäume gießen?

Jede*r kann mitmachen und etwas tun. Der erste Schritt ist die Achtsamkeit unserem Lebensraum gegenüber. Wenn wir die Bäume als Lebewesen wahrnehmen, die uns helfen in einem gesunden Stadtklima zu leben, dann entwickeln wir vielleicht ein Gefühl dafür, dass es Sinn macht, sich gemeinsam um sie zu kümmern.
Die Stadtbäume geben uns sehr viel und das sollte einfach jeder wissen und schon im Kindesalter lernen. Sie verbessern die Luft, die wir atmen, regulieren die Temperaturen, werfen Schatten auf Straßen und Häuser, sind Lebensraum für viele Tiere, wie Vögel, Insekten, Bienen und vieles mehr.
Der BUND empfiehlt Bäume einmal pro Woche mit 8 bis 10 Eimern Wasser zu bewässern.
Dabei sollte möglichst kein Trinkwasser verwendet werden, sondern, wenn möglich, Pumpen in der Nähe. Und das Wasser mit einem Bollerwagen von der Pumpe zum Baum zu bekommen, ist eine Gemeinschaftsaufgabe.
Damit Bürger*innen leichter erkennen können, welche Bäume Wasser brauchen, hat sich das CityLAB Berlin dazu Gedanken gemacht und mit giessdenkiez eine sinnvolle Bewässerungskarte entwickelt. Die Karte bildet fast alle Straßen- und Anlagenbäume Berlins mit Informationen wie Wasserbedarf, Alter und Art ab und lädt alle Bürger*innen Berlins ein, sich an der Bewässerung unseres gefährdeten Baumbestands zu beteiligen. Bürger*innen können sich so über den Wasserbedarf von Bäumen in der Nachbarschaft informieren, markieren, wann sie wie viel gegossen haben und Bäume „abonnieren“

Haben Sie einen Lieblingsbaum?

Es fällt mir ehrlich gesagt schwer, den einen Lieblingsbaum zu nennen. Wenn ich durch die Straßen gehe und Bäume anschaue, kann ich mich an vielen Bäumen nicht sattsehen. Sie sind so still und solide und gleichzeitig so komplex und voller Formen und Muster. Dazu kommt die grüne Farbe, die allen Sinnen gut tut und beruhigend wirkt.
Das zu erhalten ist eine Gemeinschaftsaufgabe, denn es ist ja nicht nur das Gießen, sondern auch das Pflegen der Baumscheiben, das Wegräumen von Hundekot, dass wir nicht unseren Müll bei ihnen abstellen und ihnen als Lebewesen einfach auch ein gutes Leben ermöglichen.
Wir machen es uns zuhause schön und wenn wir aus der Haustüre treten, wollen wir auch eine lebenswerte Nachbarschaft haben. Dann sind blühende Baumscheiben schön, jedoch gesunde Bäume erst recht. Das geht nur mit dem Engagement aller. „Schön wie wir“ und Lieblingsbaum ergänzen sich also prima.

Wie kann man unterstützen?

Informieren und mitmachen wäre großartig. Ich wünsche mir, dass viele Menschen sich um ihre Bäume kümmern, dass viele Menschen die Karte des CityLabs nutzen und sie sich weiterentwickeln kann, dass irgendwann auch die Straßen- und Grünflächenämter ihre Bewässerungsrouten eintragen, dass viele tolle Nachbarschaftsprojekte und Gießgruppen entstehen und dass viele Kinder in Kitas und Schulen von Anfang an lernen, dass unser Lebensraum nur dann ein guter Raum zum Leben ist, wenn wir uns alle gemeinsam darum kümmern.

Man kann uns aber auch Erfolgsgeschichten oder spannende Ideen und Projekte schicken, über die wir berichten können, um andere Menschen zu motivieren und zu inspirieren.

Vielen Dank für das Interview, Frau Hanske. Wir freuen uns, wenn sich nun auch viele Neuköllner*innen motiviert fühlen, sich für die Stadtbäume in ihren Kiezen einzusetzen. Für ein lebenswertes und nachhaltiges Neukölln!

Kontakt:
Jule Hanske, Mehrwertvoll e.V.
info@lieblingsbaum-initiative.de


 

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