Voneinander lernen: Veränderung ist kinderleicht!

#2: Kaufst Du noch oder recycelst Du schon?

Die Bewegung „Schön wie wir" hat unter anderem das Ziel, dass wir uns mit unseren aktuellen Gewohnheiten auseinandersetzen und uns darüber austauschen, welche Alternativen es dazu geben kann.

Juliane Meissner vom „Kulturlabor Trial&Error e.V.“ spricht mit uns über den Wert von Dingen und welche Möglichkeiten Kinder und Jugendliche haben, sich auszuprobieren und aus alten Materialien Neues entstehen zu lassen.


SWW: Herzlich Willkommen, liebe Juliane Meissner. Stellen Sie sich doch bitte einmal vor und verraten Sie uns, was sich hinter dem „Kulturlabor Trial&Error“ verbirgt!

Juliane Meissner: Ja gern. Mein Name ist Juliane Meissner, ich bin Umwelt- und Werkstattpädagogin und ich bin seit 2011 beim „Kulturlabor Trial&Error“ tätig. Hier gebe ich vor allem Workshops und ich bin in unserem Tauschladen aktiv.
„Trial&Error“ gibt es seit 10 Jahren. Wir sind ein Kollektiv aus Pädagog*innen, Designer*innen, Medien-Aktivist*innen, Künstler*innen und Gärtner*innen, die sich für eine kreative und nachhaltige Zukunft einsetzen und wir bieten den Menschen eine Plattform zum Experimentieren und Lernen.
Angefangen hat alles mit dem Thema Upcycling. Wenn man sich mit der Wiederverwertung von Stoffen befasst, beschäftigt man sich auch automatisch mit den Themen Müll und Konsum.
Mit Müll kreativ umzugehen, war damals unser Anfang. Es ist spannend, Müll als Ressource zu betrachten, daraus etwas Neues herzustellen und überhaupt ins Selbermachen zu kommen.

In diesem Rahmen bieten Sie auch Workshops für Kinder und Jugendliche an, richtig?

Ja, wir bieten eine ganze Reihe von verschiedenen Workshops an. Bei den Upcycling-Workshops stellen wir zum Beispiel Schmuck aus Fahrradschläuchen her, wandeln Plastikverpackungen in kleine Taschen um, stellen Notizbücher aus Recyclingpapier her oder T-Shirtgarn aus alten T-Shirts. Die Themen und Materialien sind sehr vielfältig. Wenn uns eine Schule fragt, ob wir mit alten LKW-Planen arbeiten können, dann entwickeln wir einen Workshop dazu.
Für die älteren Kinder sind auch unsere Zero-Waste-Workshops sehr spannend. Wir zeigen ihnen, wie man Naturkosmetik, Deo, Zahnpasta oder Cremes selber herstellt und wie man z.B. in der Küche und im Bad ohne Chemie und ohne Verpackungsmüll leben kann.

Und richtet sich das Angebot an alle Klassenstufen?

Unsere Angebote sind offen für alle Altersstufen und werden dann dem Alter der Kinder und Jugendlichen entsprechend angepasst. Die meisten Anfragen bekommen wir von Grundschulen und dann wieder von Schüler*innen ab 16, 17 Jahren.

Wie kann man sich den Ablauf eines solchen Workshops vorstellen? Gehen Sie in die Schulen und bringen alles mit oder bringen die Kinder die Materialien mit?

Wenn die Schulen sich das wünschen, kommen wir in die Schulen und wir können Materialien stellen. Interessanter ist es aber, wenn die Schüler*innen selbst Materialien von zu Hause mitbringen. Wenn wir z.B. T-Shirts aufwerten wollen, bringt jede*r ein altes T-Shirt von zu Hause mit, welches nicht mehr angezogen wird. Gemeinsam verwandeln wir es in etwas Neues, was wieder einen Wert hat. Oder wenn wir mit Plastik arbeiten, sollen die Schüler*innen vorher zu Hause mit den Eltern schauen, was es eigentlich alles an Plastikmüll gibt. Davon bringen sie dann etwas mit.
Wir haben aber auch einen Projektraum in Neukölln und laden auch sehr gern Gruppen zu uns ein. Dieser kreativ gestaltete Raum zeigt viele Ideen und hier findet man unseren Tauschladen, der allen Menschen offen steht. Dort können Sachen, die man selber nicht mehr braucht, die aber noch funktionsfähig sind, abgegeben werden und man kann sich mitnehmen, was einem selbst gefällt.
Die meisten Menschen besitzen sehr viele Dinge, Waren und Kleider, die kaum benutzt oder getragen werden. Die Idee des Tauschladens ist es, diese Dinge umzuverteilen und sie weiter zu nutzen.

Mittlerweile ist der Ort zu einem Treffpunkt für die unterschiedlichsten Menschen geworden. Ein sozialer Raum, in welchem sich Leute jeden Alters und jeden kulturellen Hintergrundes begegnen.

Wie reagieren die Kinder auf eure Workshops? Finden sie das toll und machen sie gleich mit oder sind sie eher zurückhaltend?

Das ist sehr unterschiedlich. Bei vielen Jugendlichen treffen wir auf Offenheit und großes Interesse. Meist sind sie überrascht, wie einfach man mit ein paar Tipps und Tricks den eigenen Alltag umstellen kann.
Andere haben manchmal Berührungsängste. Auch wenn die Workshops so gestaltet sind, dass sie Spaß machen, gibt es manchmal zu Beginn kleine Blockaden, wenn es um das Thema Müll geht. Wenn wir aus Verpackungsmaterialien etwas basteln wollen, finden Kinder das manchmal eklig und wollen es nicht anfassen. Dann ist vor allem der Prozess spannend, durch den die Kinder gehen. Wir stellen uns dann gemeinsam die Frage, warum eine Verpackung plötzlich ekelig ist, die soeben, z.B. als Schokoriegel im Laden, noch sehr attraktiv war. Und dann stellen wir aus derselben Ressource, dem Verpackungsmüll, erneut etwas Tolles her, was die Kinder mit nach Hause nehmen können. Es ist spannend zu sehen, dass etwas dann doch wieder einen Wert bekommt und nützlich sein kann.

Warum ist das Thema in der heutigen Zeit so wichtig?

Ich denke, dass man ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit in alle Lebens- und Arbeitsbereiche tragen sollte und damit meine ich auch das Erschaffen nachhaltiger Strukturen.
Wir sehen ja z.B. an der Fridays for Future-Bewegung, dass Kinder und Jugendliche durchaus ein Gespür dafür haben, dass in unserer Welt etwas völlig verkehrt läuft. Es kann nicht immer weiter maßlos konsumiert und weggeworfen werden. Mal abgesehen davon, dass die Ressourcen dafür irgendwann erschöpft sind, fehlt den Kindern der Raum zum Experimentieren und Selbermachen. Nachhaltigkeit erlebt man vor allem, indem man etwas selbst erschafft oder auch repariert und dann sind diese Dinge umso wertvoller.

Wie wünschen Sie sich die Zukunft?

Meine Wunschzukunft ist ein autofreies Berlin, voller Fahrräder und Lastenräder. Überall gibt es spannende Gemeinschaftsprojekte, z.B. Gemeinschaftsgärten. Es wird eine Tauschkultur gelebt und dazu gehören der Austausch von Dingen sowie der persönliche Austausch in der Nachbarschaft. Die Berliner ernähren sich von SoLaWis. Diese Abkürzung steht für solidarische Landwirtschaft. Wir essen zum großen Teil das, was regional um uns herum wächst.

Ich wünsche mir eine Welt, in der die Menschen wieder Spaß am Selbermachen und Reparieren haben. In dieser Welt wird nicht alles neu und in Massen gekauft, sondern man kennt und schätzt den Wert von Dingen und weiß, was man wirklich zum Leben braucht. Weniger Dinge zu besitzen muss keine Einschränkung, sondern kann von großer Qualität sein.

Wie findet man weitere Informationen zu Ihnen und wie kann man Sie kontaktieren?

Auf unserer Website www.trial-error.org gibt es einen Kalender, in dem man die nächsten Veranstaltungen sehen kann. Wir sind auch auf Facebook und man kann sich auf unserer Webseite für einen Newsletter eintragen.

Wer uns schreiben möchte, kann das gerne an email@trial-error.org tun oder ihr kommt uns im Tauschladen besuchen, der immer dienstags und donnerstags von 16-19 Uhr geöffnet ist. Wir sind in der Braunschweiger Straße 80, direkt am S-Bahnhof Neukölln. Das ist eine gute Gelegenheit uns kennenzulernen, Gleichgesinnte zu treffen oder etwas zu tauschen. Und wenn ihr eigene Projektideen habt, erzählt sie uns gerne und dann schauen wir gemeinsam, was sich umsetzen lässt.

Vielen Dank für dieses tolle Angebot, für Ihre wertvolle Arbeit und vielen Dank für Ihre Zeit heute.

© Fotos auf dieser Seite: Trial&Error e.V.

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